Transkript
Du denkst, dass du gut mit Geld umgehen kannst, und nicht auf die miesen psychologischen Marketing-Tricks reinfällst, denen wir fast täglich ausgesetzt sind und die uns viel Geld kosten können? Wenn wir Fehler machen, sollte das idealerweise zu einer Verhaltensänderung führen, damit wir das nächste mal einen anderen Outcome haben. Das nennt man auch: Aus Fehlern lernen. In dieser Folge geht es um Fehler, nämlich teure Denkfehler, aus denen wir aber leider selten lernen, sondern sie stattdessen immer und immer wieder neu begehen. Wenn du deine Anfälligkeit für diese Fehler kennst, kannst du sie viel besser vermeiden. Und das spart dir natürlich auf sehr einfache Weise Geld. Deshalb gucken wir uns in dieser Minireihe teure Denkfehler an, damit sie dir nicht mehr passieren!Wir sind letztendlich, wenn es um Preis und Kaufentscheidungen geht sehr viel einfacher gestrickt, als uns lieb ist. Das ist schon fast lächerlich, und deshalb ist es extrem von Vorteil, wenn wir wissen, wie unser Gehirn funktioniert, wenn es um Geldentscheidungen geht. Verhaltensforscher haben sich die Frage gestellt, wovon es abhängt, welchen Preis wir für eine Flasche Wein zahlen würden. Und die Antwort ist, naja, ernüchternd:Dan Ariely ist Psychologe und Verhaltensökonom und übrigens Verfasser einiger unterhaltsamer populärwissenschaftlicher Bücher über Menschen und ihr Verhalten u.a. in Bezug auf Geldentscheidungen. Ariely hat folgendes Experiment gemacht: Er hat in seinen Vorlesungen Computerzubehör, Schokolade und ein paar Flaschen guten Rotwein versteigert. Die Studentinnen haben jeweils ihre Gebote auf Zettel geschrieben, und das höchste Gebot hat natürlich gewonnen. So, Bevor das alles aber stattfand, sollten die Studentinnen auf einem Arbeitsblatt die letzten beiden Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer eintragen und dahinter ein Dollarzeichen setzen. Darunter standen die zu ersteigernden Produkte und jeweils die Frage: Wärst du bereit, den obenstehenden Preis dafür zu zahlen?Wenn ein:e Stundent:in jetzt die Entziffern 04 oben stehen hatte, dann wäre der Preis für den guten Wein mit 4 Dollar super günstig und die Frage einfach mit “Ja” zu beantworten. Mit der Endziffer 56 sähe das schon wieder anders aus, weil das wiederum ein schlechtes Geschäft wäre. So, da is nix dolles dran. Was aber doll ist, ist, was diese Vorarbeit mit den Ergebnissen der dann folgenden Versteigerung gemacht hat. Student:innen mit einer niedrigen Endziffer in der Sozialversicherungsnummer haben im Schnitt 8,64 USD für eine Flasche Rotwein geboten, während das Durchschnittsgebot der Student:innen mit hohen Endziffern gut dreimal so hoch lag, nämlich bei 27,91 USD. Leute, das müssen wir uns immer wieder klar machen: So EINFACH sind wir zu manipulieren, und genau das nutzen Unternehmen natürlich sehr gerne aus. Was war jetzt in diesem Experiment passiert? Durch die letzten beiden Sozialversicherungsziffern wurde ein sogenannter Anker gesetzt. Experten sprechen bei diesem Phänomen vom Ankereffekt. Das Ding ist, dass sich unser Gehirn ohne Referenzpunkt super schwer damit tut, den Wert von Dingen einzuschätzen. Wir brauchen also irgendeine Art von Vergleichswert. Und wenn ich IRGENDEINE Art sage, dann meine ich das auch so. Denn offenbar reichen zufällig gewählte Zahlen schon aus, um uns zu manipulieren. Dazu haben auch zwei andere Forscher namens Critcher und Gilovich festgestellt, dass allein der Name eines Restaurants ausschlaggebend dafür sein kann, wie viel Geld die Gäste da lassen. In einem Restaurant namens Studio 97 waren die Rechnungen im Schnitt 8 USD höher als im Restaurant namens Studio 17. Wir sind durch den Ankereffekt erschreckend einfach zu manipulieren. Wie gesagt, unser Gehirn braucht einen Referenzpunkt, um zu entscheiden, ob ein Preis akzeptabel oder inakzeptabel ist. Der Anker muss uns nicht zwingend vorgesetzt werden, sondern der kann sogar weit in der Vergangenheit liegen. Wenn wir den Preis unserer ersten Tankfüllung kennen, empfinden wir heute Tanken als unfassbar teuer. Gleichzeitig ist Telefonieren z.B. irgendwann mega billig geworden im Vergleich zu früher, wo man noch für jeden Anruf pro Minute zahlen musste, und es sogar teurer war, in eine andere Stadt zu telefonieren. Dann kamen Flatrates und das fühlte sich noch lange an wie ein krasses, fast verbotenes Schnäppchen. So, in diesen Fällen arbeitet unser Gehirn mit bewussten Ankern und mit Heuristiken Was sind Heuristiken? Heuristiken sind Abkürzungen oder Faustregeln, mit denen wir Schlussfolgerungen ziehen, ohne komplizierte logische Denkwege zu gehen. Mithilfe von Heuristiken können wir schnell Entscheidungen treffen und Urteile fällen. Sie nehmen uns die Denkarbeit ab und stattdessen greifen wir auf einfache Schätzungen zurück.Heuristiken nutzen wir also, wenn wir für ein Urteil oder eine Entscheidung die Antwort nicht kennen, aber einen Anhaltspunkt haben, den wir bewusst als Anker für unsere Schätzung nutzen. Wenn wir zB nach den Preis für für ein gute Samsung Handy nennen sollen, eigentlich keine Ahnung von Handypreisen haben, aber wissen, dass ein neues iPhone um die 1.000 EUR kostet (weil das immer in den Medien breitgetreten wurde), dann orientieren wir uns an dem iPhone Preis und liegen mit unserer Schätzung für das Samsung gar nicht so falsch. Oder wenn wir die Einwohnerzahl von Frankreich nennen sollen: Schätz du mal kurz die Einwohnerzahl von Frankreich. 3,2,1. Okay, vermutlich orientierst du dich an der Einwohnerzahl Deutschlands, denn wir wissen vllt so ganz grob, dass Frankreich ein bisschen größer ist, aber vllt etwas weniger dicht bewohnt. Frankreich ist übrigens 1,5 Mal größer als Deutschland und hat knapp 68 Mio. Einwohner. Wie weit lagst du von dieser Zahl weg? Dank einer Heuristik hast du weder 20 Mio, noch 200 Mio geschätzt, sondern lagst vermutlich sehr viel näher dran. Es gibt aber eben auch die unbewussten Anker, die über das sogennante Priming gesetzt werden - wie im Beispiel mit den Endziffern der Sozialversicherungsnummer oder den Restaurantnamen. Die Anker aktivieren unbewusst Assoziationen, die wiederum unsere darauf folgende Entscheidungsfindung beeinflusst. Und ein letztes Experiment zum Ankereffekt, bevor wir uns ansehen, wie du dich als Konsumentin vor dem Ankereffekt schützt, und wie du ihn für dich nutzen kannst:Daniel Kahneman und sein Kollege Tversky haben Leute an einem Glücksrad drehen lassen, das ein Zahlenfeld von 1-100 hatte, allerdings war es so eingestellt, dass es entweder bei 10 oder bei 65 stehen blieb. Wenn jemand an dem Rad gedreht hatte, sollte die Person schätzen, wie viel Prozent aller afrikanischen Staaten Mitglied der Vereinten Nationen sind. Jene Personen, die eine 10 gedreht hatten haben im Schnitt geschätzt, dass 25% aller afrikanischen Staaten UN Mitglied sind, und jene Leute, die die 65 gedreht haben, haben im Schnitt 45% geschätzt. Jetzt sollte wirklich sehr deutlich geworden sein, wie krass und lächerlich einfach wir beeinflusst werden. Alright, wie wehrst du dich jetzt dagegen? Naja komplett ausschalten wirst du diese Anker-Heuristik nicht, und das ist auch gut so, sonst müsstest du ja NUR noch auf Logik basierende Entscheidungen treffen, und dann wärst du schon 30 Minuten nach dem Aufstehen im Sack, weil Entscheidungen treffen Energie kostet. Heuristiken, also Faustregeln, sind quasi ein Schutzmechanismus, der uns davor schützt, zu viel Energie und Zeit auf Entscheidungen zu verschwenden.Wie kannst du dich als Konsumentin schützen? Am besten ist, wenn DU den Ankerpunkt bewusst SELBST setzt. Das heißt: Du willst ein neues Handy kaufen, und setzt dir selbst einen Anker BEVOR zu in den Laden gehst, oder BEVOR du es online bestellst. Du sagst z.B.: Ich werde nicht mehr als 300 Euro für das Handy ausgeben. Wenn du bei ebay auf etwas bietest, solltest dir VORHER ansehen, für wie viel das Objekt der Begierde in vorigen Auktionen weggegangen ist, damit du dir selbst einen realistischen Anker setzt. Wenn du im Supermarkt oder im Elektromarkt stehst, ist dir ab jetzt bewusst: Der Ankereffekt schlägt in jedem Regal zu: Meistens gibt es ein günstiges Produkt, ein mittelteures, und ein teures. Damit hat unser Gehirn super Referenzpunkte, und wir entscheiden und mit hoher Wahrscheinlichkeit für das mittlere Produkt, weil wir den mittleren Preis für angemessen halten. Dabei ist es egal, ob der mittlere Preis 30 EUR oder 70 EUR beträgt. Was zählt ist, dass die Anker gesetzt wurden. Teure Produkte sind also auch dazu da, sie als Anker zu setzen, um die günstigeren Produkte für eine gute Wahl zu halten. Das müssen wir uns immer und immer wieder bewusst machen, weil wir sonst immer und immer wieder in die Falle tappen. Denn oft genug tut es das günstigste Produkt genauso gut, wie die teureren Varianten. Wie nutzt du nun den Ankereffekt für dich? Wenn du dein Gehalt oder dein Honorar verhandelst, setzt du am besten direkt zu Beginn des Gesprächs einen Anker. Du primest also dein Gegenüber. Vielleicht lässt du dir ein T-Shirt drucken, auf dem die Zahl 7.000 steht, und damit gehst du in deine Honorarverhandlung, bei der du 4000 EUR rausschlagen willst. Oder du überlegst dir für deine Gehaltsverhandlung eine kurze Story für den Vorab-SmallTalk, wo du eine Zahl einbaust, die deutlich über deiner Gehaltsvorstellung liegt. Ich weiß nicht, ob es funktioniert, aber du könntest deine Vorgesetzte ja schon ein, zwei Tage vorher mit hohen Zahlen konfrontieren, und quasi schonmal vorprimen. Falls du das ausprobierst, bitte lass mich wissen, wie es lief. Klassischerweise nennst du in Verhandlungen Fällen deine Honorar- , deine Gehalts- oder deine Preisvorstellung zuerst, damit auch die als Anker schon geprimed wird. Wenn dich das interessiert, dann google einfach Mal “Ankereffekt bei Preisverhandlungen”. Da kommen hilfreiche Artikel, die dir zukünftig bestimmt nützlich sein werden. Fassen wir zusammen: Wir nutzen den Ankereffekt zum einem mit bewussten Ankern als Heuristik, um Entscheidungen und Urteile mittels Schätzungen fällen zu können. Zum anderen nutzen wir unbewusste Anker mit denen wir geprimed werden, unbewusst für Entscheidungen, und somit auch für Geldentscheidungen. Wenn wir diesen Mechanismus kennen, können wir uns besser davor schützen, wenn wir als Konsumentinnen unterwegs sind. WIr können den Ankereffekt aber auch für uns nutzen, wenn wir in Geldverhandlungen gehen. Sodele! Das war es für die erste Folge dieser kleinen Reihe zu teuren Denkfehlern. Und auch hier wird mal wieder klar: Der Umgang mit Geld hat letztendlich ausschließlich mit Psychologie zu tun. Und deshalb ist das Thema Geld so spannend. Stay tuned für die nächste Folge, in der es mindestens genauso spannend weiter geht, denn da klären wir, warum dir 30-Tage-Geld-zurück Garantien nix bringen, und eher eine Garantie für den Umsatz der Anbieter sind, und wieso es an nur einem einzigen Euro liegen kann, dass ein Unternehmen keine Umsatzsteigerung verzeichnet. Cool, bis zur nächsten Folge, ich bin raus, peace.