Laura

Das liebe Scheißgeld

Wie kann man sich darüber ärgern, zu wenig Geld zu haben, und gleichzeitig behaupten, Geld sei nicht wichtig? Richtig, das widerspricht sich. 

Ich war so blöd

Ich verrate dir was: Jedes Mal, wenn ich ich mein Gehalt bekomme, freue ich mich. Das war schon immer so.

Nur, immer dann, wenn mir klar wurde, was ich alles nicht haben und machen kann, weil ich zu wenig Geld hatte, fand ich Geld scheiße – und hab in der Kneipe dann erst recht noch eine Runde Bier geschmissen. „Is´ ja eh egal.“
Ganz ehrlich: Ich dachte immer, ich sei einigermaßen aufgeklärt, was Wirtschaft und Finanzen angeht. Gleichzeitig wusste ich nie, wofür ich denn bitte sparen soll. In den Talkshows wurde damals oft suggeriert, Sparen lohne sich nicht. Man solle das Geld lieber ausgeben. Irgendwie nahm ich mir das zu Herzen und verschwendete keinen Gedanken daran, Geld beiseite zu legen.
Bis ich meine ersten Vollzeit-Stelle hatte. Vorbei waren die Uni-Prüfungen und Bewerbungen. Frei war der Kopf für die Frage aller Fragen: Wie legt man sein Geld am besten an?

Ich hab also angefangen, mich seeeehr intensiv einzuarbeiten und musste feststellen: Im Grunde hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung von Geld, Altersvorsorge und Vermögensaufbau gehabt. 

Gefühlt tausend Mal hab ich am Küchentisch vorm MacBook und 10 aufgeschlagenen Büchern  gesessen und vor Scham mein Gesicht verzogen (wie ich es immer tue wenn ich mich an eine echt peinliche Situation in meinem Leben erinnere).

"Oh Mann, warum wusste ich das alles nicht?"

Emanzipiert - am Arsch. 

Als vermeintlich emanzipierte Frau musste ich mir eingestehen, dass ich reichlich dumm gewesen war.

Beinahe wäre ich mit meiner Einstellung zudem in die klassische Falle getreten: „Arbeiten ist scheiße, ich bin froh, wenn ich endlich Kinder habe, denn dann kann ich zu Hause bleiben und mein Ding machen.“ 

Gut, dass ich diese Einstellung erfolgreich hinter mir gelassen habe. Das ist nur passiert, weil ich durch die ganze Beschäftigung mit Geld endlich verstanden habe, das meine Unabhängigkeit und mein selbstbestimmtes Leben davon abhängt, dass ich finanziell unabhängig bin.

Vorher war ich alles andere als emanzipiert: Ich hatte kein Finanzwissen und keine Klarheit darüber, dass unsere Gleichberechtigung direkt mit dem Geld-Game verknüpft ist. Es geht nicht nur um meine persönliche Freiheit. Es geht um uns Frauen. Darum, dass wir unseren Platz in der Geld- und Finanzwelt einnehmen. Und darum, dass wir alle endlich verstehen, dass Geld wichtig für uns ist. 

Wie du Geld wichtig finden kannst, ohne deine Prinzipien zu verraten

„Wie wir mit Geld umgehen, wie wir Geld wahrnehmen, und wie wir Geld benutzen, bestimmt auf fundamentale Weise, wie wir unser Leben leben.“ 

Rev. Mark Bozzuti-Jones — Trinity Church Wallstreet
Es ist doch so: Wo früher ein Gefühl der Gegenseitigkeit herrschte, das die Wechselbeziehung zwischen den Menschen geformt hat, da ist heute oft Geld an diese Stelle getreten.

Es zählt nicht mehr nur "Wie du mir, so ich dir", sondern Geld ermöglicht es uns, theoretisch komplett isoliert und ohne Freunde, Bekannte oder Nachbarn zu überleben. Da ist keine Gegenseitigkeit. Geld kauft uns frei davon. Du zahlst, ich liefere – Schuld beglichen. 

Das macht Geld so kalt und unsozial in seinem Wesen. Das lässt vor allem Frauen oft im Glaubenssatz verhaften, Geld sei nicht wichtig.

Dass Geld noch nie so im Zentrum stand, wie es das heute tut, wird einfach ignoriert. Wir haben uns aber nunmal irgendwann darauf geeinigt, dass Geld einen Wert hat. Und das macht Geld zu einen maßgeblichen zwischenmenschlichen Werkzeug. Wir brauchen es.


Kaltes Geld - guter Zweck

Falls du in dieser "Geld ist scheiße"-Falle steckst, so wie ich früher, dann ein kleiner Tipp, wie du dich davon befreien kannst:

Unterscheide zwischen dem Wesen des Geldes (kalt und unsozial) und dem Zweck des Geldes.


Der wichtigste Zweck ist ganz klar deine Unabhängigkeit. Nur wenn du ausreichend Geld hast, bist du unabhängig. Meines Erachtens sollte die eigene Unabhängigkeit immer das oberste Ziel sein. Denn das Gegenteil ist Abhängigkeit - von Behörden, von Familienmitgliedern, von Partnern.

Kurzfristig ist das manchmal vielleicht nicht zu umgehen, aber mittel- und langfristig sind Abhängigkeiten einfach nicht geil, denn sie können uns in unseren Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten sehr einschränken. 


Ebenfalls ein nicht zu verachtender Zweck: Mit Geld hast du ganz einfach die Wahl. Statt des unfairen Billigkaffees kannst du Fairtrade-Bohnen kaufen, das bessere Pflegeheim mit mehr Pflegekapazitäten wählen, nachhaltige Klamotten shoppen, eine Putzkraft einstellen, die gute Waschmaschine kaufen, den Urlaub ganz nach deinem Geschmack machen... dich von deinem Partner trennen, wann du willst, ohne in finanzielle Schieflache zu geraten...und so weiter. 


Sowohl jetzt während deines Berufslebens, als auch als Rentnerin willst du doch sicher lieber die Wahl haben, als wegen zu wenig Geld auf etwas verzichten zu müssen, und wenn es "nur" deine Freiheit ist. Das ist ein völlig legitimer Anspruch den du erheben kannst - gegenüber dir selber, aber auch gegenüber deinem Partner/Partnerin, ohne das Gefühl zu haben, dass du "unromantisch" und "asozial" bist.
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